Bereit für einen literarischen Koloss? Gestatten, Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“. Fast 2.000 Seiten liegen vor dir. Und dennoch hältst du ein Romanfragment in den Händen. Vollendet hat der österreichische Schriftsteller sein Lebenswerk nämlich nie. Aber halb so schlimm, finden die Literaturkritiker:innen. Auch ohne Schluss ist „Der Mann ohne Eigenschaften“ der vielleicht mächtigste Roman des 20. Jahrhunderts.

Robert Musil – weltberühmt, aber kaum gelesen

Robert Musil ist ein Autor auf den zweiten Blick. Kaum jemand spricht über seine Werke – zumindest zu Lebzeiten. Erst nach dem Tod wird er zur Ikone. Plötzlich gehört er zu den bedeutendsten Literaten der Moderne, steht mit Franz Kafka auf einer Ebene. Höchste Zeit für die Biografie eines Künstlers, der seinen großen Durchbruch nicht mehr miterlebte. 

Robert Musil kommt 1880 bei Klagenfurt zur Welt – mit großen Zielen. Ein einflussreicher Mann will er werden. Zuerst versucht er sein Glück beim Militär, dann als Ingenieur und promovierter Philosoph. Seine wahre Berufung aber findet er erst in den 1920er-Jahren – in der Literatur. „Der Mann ohne Eigenschaften“ verlangt seine volle Aufmerksamkeit. Seit den 1920er-Jahren feilt er unentwegt an seinem Lebenswerk. Das sind 20 Jahre. Selbst an seinem Todestag, dem 15. April 1942, greift er noch zu Stift und Papier.   

Das Ergebnis: 2 Bände und nahezu 2.000 Seiten. 1930 erscheint der erste Band, 1933 der zweite Band. Zum Abschluss aber kommt Robert Musil nie. Der Roman bleibt ein Fragment – trotz 20 Jahre Schreibarbeit. Weshalb? Das hat verschiedene Gründe. Man spricht von Geldmangel, Krankheit, politischen Umständen und überzogenen Ansprüchen an sich selbst. Dennoch geht sein unvollendetes Werk in die deutsche Literaturgeschichte ein. Selbst knapp ein Jahrhundert nach seinem Erscheinen bewundern wir die treffsichere Sprache, das literarische Geschick, die originellen Einfälle und den scharfsinnigen Erzählstil. 

„Der Mann ohne Eigenschaften“ ist aber nicht Musils einzige literarische Hinterlassenschaft. Auch mit Bühnenstücken wie „Die Schwärmer“ (1921) und wissenschaftlichen Schriften zu Philosophie und Ingenieurstechnik macht er von sich reden. Doch nach diesen erfolgreichen 20er-Jahren folgt eine Durststrecke. Die Nationalsozialisten verbieten seine Werke. Ihm bleibt keine andere Wahl: Zusammen mit seiner Frau flüchtet Robert Musil in die Schweiz, wo er 1942 in Krankheit und Armut verstirbt. 

Aber zum Glück gibt es Adolf Frisé. Der deutsche Verleger lässt Musil nach seinem Tod wieder aufleben. In den 1950er-Jahren beschert er ihm eine literarische Renaissance – insbesondere dem „Mann ohne Eigenschaften“. Seither ist der österreichische Autor nicht mehr aus der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur wegzudenken. Gebrauchte Bücher von Robert Musil findest du übrigens auch bei uns. Hol dir die Secondhand-Version in dein Bücherregal – schnell, günstig und nachhaltig.

Der Mann ohne Eigenschaften – die Sinnsuche in der Moderne

Der Mann ohne Eigenschaften
von Robert Musil

Wien, 1913: Ulrich führt ein gut bürgerliches Leben. Er ist 32 Jahre jung, stammt aus feinem Hause und verdient sein Geld als Mathematiker. Aber irgendetwas fehlt ihm. Was? Das weiß er selbst nicht so genau. Er muss darüber nachdenken. Und so nimmt er sich „ein Jahr Urlaub von seinem Leben“.

 

 

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Trifft sich gut, dass gerade eine „Parallelaktion“ ansteht, die dringend einen ehrenamtlichen Sekretär sucht – einen wie Ulrich. Das 70-jährige Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1918 plant sich schließlich nicht von selbst. Ein Volltreffer muss es werden. 1918 findet nämlich noch ein zweites Jubiläum statt – das 30-jährige Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm ll. Und wer will schon, dass der unbeliebte preußische Nachbar besser dasteht? 

Eine große Idee muss her. Österreich muss strahlen. Aber leichter gesagt als getan: Kein Vorschlag überzeugt – zu abgedroschen, zu einfach, zu schwierig. Das Komitee kann sich nicht einigen. Ein literarischer Seitenhieb an Musils Heimatland, das seit Jahrzehnten auf der Stelle tritt. Viel Neues passiert hier nicht. 

Ulrich macht seine Sache gut. Mit Herzblut unterstützt er die Parallelaktion. Aber ist sie wirklich der Sinn, den er gesucht hat?

Wer ist „Der Mann ohne Eigenschaften“?

Ulrich ist „Der Mann ohne Eigenschaften“. Aber er ist nur ein Stellvertreter. In Wirklichkeit repräsentiert er den modernen Menschen, der nicht weiß, wer er ist. Er lässt sich fremdbestimmen. Ob Politik, Gesellschaft oder Medien – es sind die Einflüsse von außen, die ihm sagen, wer er ist – oder wer er zu sein hat. Folgsam, fleißig, genügsam – von allem etwas. 

Aber warum befreit sich der moderne Mensch nicht endlich von diesen Einflüssen? Warum hört er nicht auf seine innere Stimme? Nur sie kann ihm sagen, wer er wirklich ist – und wirklich sein will.