Während der Filmpreissaison 2023/24 erhielt "Poor Things" Nominierungen für über 300 Film- und Festivalpreise, von denen es mehr als 60 Auszeichnungen gewann. „Poor Things“ von Regisseur Yorgos Lanthimos zeigt eine Art feministische Version von Frankensteins Monster in surrealistischer Darstellung – was macht den Film so besonders? 

Unter den gewonnenen Preisen befand sich auch der Goldene Löwe, der Hauptpreis des 80. Filmfestivals von Venedig, sowie der Golden Globe Award 2024 für die beste Filmkomödie. Als Vorlage diente der Roman „Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D., Scottish Public Health Officer“ von Alasdair Gray aus dem Jahr 1992.

Wer den Film ohne Spoiler genießen will, der liest besser nicht weiter. Die Handlung spielt im späten 19. Jahrhundert in London: Um dem weiteren Missbrauch durch ihren Mann zu entkommen, begeht die schwangere Victoria Blessington (Emma Stone) Suizid. Als der Arzt Godwin Baxter (Willem Dafoe) ihre Leiche findet, wagt er ein sensationelles Experiment. Er setzt der jungen Frau das Gehirn ihres ungeborenen Kindes ein.

Von den Toten auferstanden

Damit erweckt er sie wieder zum Leben und gibt ihr schließlich den Namen Bella Baxter. Doch Gehirn und Körper sind nicht im Einklang miteinander. Wie ein unbedarftes Kind, welches noch keine Regeln und Bosheiten kennt, entdeckt Bella die Welt. Da sie keine Lebenserfahrung hat, ist sie völlig frei von gesellschaftlichen Konventionen. 

Ihr Verhalten ist beschämend und lustig zugleich. So spuckt sie zum Beispiel am Tisch einfach ihr Essen wieder auf den Teller, weil es ihr nicht schmeckt und kommentiert ihre Handlung mit: „Wieso es im Mund behalten, wenn es widerlich ist?“. Doch ihr Gehirn entwickelt sich rasant, sie lernt jeden Tag etwas Neues. Als sie eines Tages auf den Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) trifft, begibt sie sich mit ihm auf eine Reise in verschiedene Städte wie Paris und Lissabon.

Bizarre Entdeckungsreise ohne Scham

Als Zuschauer:in verfolgst du die Entwicklung Bellas, die sich von der naiven zur selbstbestimmten Frau entwickelt und sich immer mehr von den Einschränkungen ihrer Zeit löst. Sie hat einen starken Willen, ist voller Lebensfreude und entdeckt nach und nach ihre Leidenschaft für Essen, Reisen, Tanz, Philosophie, soziale Gerechtigkeit und Sexualität. Auf ihrer Entdeckungsreise zu sich selbst sagt sie: „Am Leben zu sein, ist faszinierend“.

Die Geschichte ist tiefgründig, sie fesselt und berührt. Feministische Tendenzen und Kritik an der Gesellschaft sind zu erkennen. Die teilweise absurden Dialoge werden dich bestimmt das ein oder andere Mal zum Lachen bringen.

Mit Liebe zum Detail

Außergewöhnliche Kostüme, fantasievolle Kulissen, verschiedene Kameraeinstellungen, der Wechsel von schwarzweiß zum Farbfilm und die eindringliche Musik machen den Film besonders interessant. Um alle Details des Filmes wahrzunehmen, müsstest du ihn wahrscheinlich sogar zweimal sehen.

Die vielen ungewöhnlichen Szenen im Film polarisieren – manche finden ihn brillant, andere verstörend. Er kann aber zweifelsfrei als neuer Meilenstein der Filmgeschichte gelten. Von verschiedenen Kritiker:innen wurde die schauspielerische Leistung als grandios bezeichnet. Nur für Zartbesaitete ist er mit Vorsicht zu genießen: Es gibt skurrile Sexszenen und Blut fließt auch mal. Deswegen ist der Film auch erst ab 16 Jahren freigegeben. 

„Poor Things“ reiht sich in die Liste der ungewöhnlichen Erzählungen ein, die schon fast typisch für den griechischen Regisseur Yorgos Lanthimos sind. Auch in bereits vergangenen Filmen wie „The Lobster –eine unkonventionelle Liebesgeschichte“, „The Killing of a Sacred Deer“ und „The Favourite –Intrigen und Irrsinn“ erlebst du wirklich außergewöhnliche Geschichten.

The Lobster

The Lobster
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