Stell dir vor: Ein Wochenende in einem gemütlichen Landhaus, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee liegt in der Luft, draußen zwitschern Vögel – und drinnen herrscht wohltuende Stille. Nur das Rascheln von Seiten, ein kurzer Buchtipp über die Sofalehne hinweg. Genau diese Szenerie hat sich Ramona Nemec erträumt – und mit ihren Lese-Retreats wahr werden lassen.
Im Interview erzählt sie, wie aus ihrer Sehnsucht nach buchverliebter Gemeinschaft ein ganz besonderes Veranstaltungsformat wurde: viel Zeit zum Lesen, inspirierende Gespräche, ein Besuch von Autor:innen – und das alles mit maximaler Gemütlichkeit. Warum ein Retreat mehr sein kann als nur eine Auszeit vom Alltag, und wie Bücher Menschen auf leise Weise verbinden, erfährst du hier.


Wir haben mit Ramona gesprochen – leidenschaftliche Leserin, Brettspielfan und die kreative Organisatorin hinter ganz besonderen Lese-Retreats. Im Gespräch erzählt sie, wie aus einer Idee im Kopfkino echte Wohlfühl-Wochenenden für Buchliebhaber:innen wurden – mit viel Lesezeit, gemütlicher Atmosphäre und inspirierendem Austausch.
Lesezeit mit Herz: Ramonas Retreats für Buchliebhaber:innen
medimops: Hallo, Ramona. Wer bist du und welche Rolle spielen Bücher in deinem Leben?
Ramona: "Ich bin schon seit meiner Kindheit ein begeisterter Bücherwurm und tausche mich online seit über 15 Jahren über Bücher aus. Wenn ich nicht lese, dann spiele ich sehr gerne Brettspiele, gehe wandern, oder starre einfach nur verliebt mein Bücherregal an."
medimops: Wie bist du auf die Idee gekommen, Lese-Retreats zu organisieren?
Ramona: "Natürlich bin ich online mit einigen Menschen in Verbindung, die die Liebe zum Lesen teilen. Da aber in meinem realen Umfeld nicht so viele Leute lesen, wurde der Wunsch immer größer, mich stärker mit anderen Bookies zu verbinden. Und ich hatte da diese Vorstellung von einem Wochenende, wo ich einfach nur lese. Es war also eine Art Kopfkino, was bei mir immer sehnsüchtiger danach verlangt hat, in die Realität umgesetzt zu werden."
medimops: Wie läuft ein typisches Lese-Retreat bei dir ab? Gibt es ein festes Programm oder viel Freiraum?
Ramona: "Es gibt sehr viel Freiraum und Lesezeit. Alle Teilnehmerinnen bekommen allerdings im Vorfeld 2 bis 3 Fragen, zu denen sie dann jeweils ein Buch mitbringen sollen. Also z. B.: Von welchem Buch würdest du dir wünschen, dass es viel mehr Menschen lesen? Und diese Fragen und Bücher tauschen wir dann über die Zeit verteilt aus, diskutieren und machen uns gegenseitig neugierig. Glaubt mir, so wurden schon eine Menge Buchbestellungen ausgelöst… Außerdem ist natürlich der Besuch einer Autorin unser Highlight. Die Autorin ist entweder die gesamte Zeit dabei, oder kommt gegen Mittag an, sodass sie sich ganz wunderbar in die Gruppe einfügt. Und am Samstagabend geht es dann um sie, ihr aktuelles Buch und das Schreiben. Aber weniger als klassische Lesung, mehr wie ein gemütliches Gespräch, an dem alle gerne teilnehmen können."
medimops: Welche Locations suchst du aus – und warum?
Ramona: "Ich suche vor allem nach großen Häusern, die genug Platz für alle Bookies bieten, sodass wir uns nicht gemeinsam ein Schlafzimmer und ein Bad teilen müssen und natürlich braucht es auch eine gemütliche Sofalandschaft. Mir ist es wichtig, dass alle Teilnehmerinnen jederzeit genug Raum und Privatsphäre haben, um sich auch zurückzuziehen. Es ist mir wichtig, eine kleine, gemütliche Auszeit vom Alltag zu schaffen und dazu gehört neben gutem Essen auch eine Location, in der man sich wohlfühlt und natürlich entspannt schlafen kann, auf jeden Fall dazu."
medimops: Arbeitest du mit bestimmten Themen oder Genres pro Retreat?
Ramona: "Die bisherigen Lesewochenenden waren für alle Themen und Genres offen. Egal, ob man gerne Liebesromane, Spannung, Belletristik, oder zum Beispiel auch Dark Romance liest: Alles bekommt seinen Raum und über alles können wir sprechen. Für die Zukunft könnte ich mir aber auch themenspezifische Wochenenden gut vorstellen."
medimops: Gibt es Rituale oder besondere Highlights, die bei keinem Retreat fehlen dürfen?
Ramona: "Ihr müsst euch das so vorstellen: Alle sind auf der Couch eingekuschelt, lesen konzentriert. Man hört nur das Atmen und das Rascheln der Seiten. Dann beendet jemand ein Buch und irgendwer bekommt das mit. Daraus entsteht dann irgendwie immer ein ganz kurzer Austausch darüber, wie der Person das Buch gefallen hat. Einige notieren sich den Titel. Jemand hat es vielleicht auch gelesen. Und plötzlich ist es wieder still und alle vertiefen sich in ihre eigene Lektüre. Das ist bisher irgendwie jedes Mal ganz natürlich so entstanden und diese kurzen Gesprächsrunden sind immer eins der Highlights der Teilnehmerinnen und auch von mir. Der direkte Austausch, die Anteilnahme, das gegenseitige Interesse – das hat man ja meist im normalen Alltag als Bookie nicht, wenn man allein auf dem Sofa sitzt und dann das aktuelle Buch zuklappt."
medimops: Welche Menschen nehmen an deinen Retreats teil? Gibt es ein typisches "Retreat-Profil"?
Ramona: "Was alle Teilnehmerinnen vereint, ist natürlich die Liebe zum Lesen. Und dass sie sich gerne etwas gönnen wollten. Darüber hinaus sind sie alle sehr unterschiedlich. Einige lesen superschnell und superviel. Für andere ist es ein Erfolg, wenn sie während des Wochenendes ein Buch beendet haben. Da liegt der Fokus weniger auf der Anzahl der Bücher und mehr darauf, sich wirklich ein ganzes Wochenende Zeit für sich selbst zu nehmen.
Außerdem entsteht an einem Wochenende wirklich auch eine Verbindung der Teilnehmenden untereinander. Unsere jeweiligen WhatsApp-Gruppen werden noch immer gerne von Zeit zu Zeit für den Austausch von Buchtipps genutzt, oder eine kleine Gruppe hatte sich zum Beispiel dann auch auf der Leipziger Buchmesse noch mal verabredet."
medimops: Wie fördert das Retreat die Lesekultur und Achtsamkeit im Alltag?
Ramona: "Ich hoffe, dass die Teilnehmerinnen etwas von der Entspannung der Wochenenden mit in den Alltag übertragen können. Zum Beispiel weiß ich, dass einige sich anschließend quasi zu Hause ihre eigene, kleine Auszeit nehmen und das Lesen wieder mehr zelebrieren und sich bewusster dafür Zeit einräumen."
medimops: Welche Bücher eignen sich besonders gut für ein Lese-Retreat?
Ramona: "Egal, was ihr gerne lest: Bringt es mit! Dadurch, dass bisher alle Teilnehmerinnen bei den Retreats auch weit über den eigenen Tellerrand hinaus neugierig waren, gibt es keinen sehr gut, oder weniger gut geeigneten Lesestoff."
medimops: Was liest du selbst gerade – und wo liest du am liebsten?
Ramona: "Mein letztes Buch habe ich gerade beendet: Die Mitternachtsbibliothek von Matt Haig. Jetzt muss ich mir erst wieder eins aussuchen. Am liebsten lese ich draußen."
medimops: Welches ist dein All-Time-Favourite Lieblingsbuch?
Ramona: "Diese Frage…! :D Ich muss ehrlich sagen, dass ich kein Lieblingsbuch habe. Es würde mir total schwerfallen, aus allen Büchern, die ich je gelesen habe, nur eins auszusuchen."
medimops: Wie möchtest du das Konzept Lese-Retreat weiterentwickeln?
Ramona: "Für die Zukunft habe ich jede Menge Ideen und auch Wunschträume. Ich würde z. B. gerne mal ein Lese-Retreat gemeinsam mit einem Verlag ausrichten. Oder zum Beispiel auch mal ein geschlossenes Retreat für Creator*innen organisieren. Eventuell könnte man auch mal in den Nachbarländern nach einer schönen Location schauen. Also meine Wunschliste ist lang und mein Kopf voller Ideen…"
medimops: Schnellfragerunde zum Abschied:
Kaffee oder Tee beim Lesen?
Ramona: "Tee, oder sehr gerne auch Kakao."
Hardcover oder Taschenbuch?
Ramona: "Hardcover."
Morgens oder abends lesen?
Ramona: "Abend."
Neue oder gebrauchte Bücher?
Ramona: "Gerne beides."
Lieblingsleseort?
Ramona: "Draußen."
Lieblingsautor:in?
Ramona: "Romy Fölck und Kathinka Engel."
medimops: Danke, liebe Ramona!
Und das Beste zum Schluss: Ab sofort wird Ramona auch hier im Magazin regelmäßig ihre liebsten Lesetipps mit euch teilen.